Zur Dialektik von Armut und Kultur.
von Peter Knoch / 9.5.2015
„Auf freiem Grund mit freiem Volke stehen, zum Augenblicke dürft‘ ich sagen, verweile doch du bist so schön.“ Der links abgebildete Herr ist dieser Meinung erst im Alter von etwa 80 Jahren Er war Minister in Weimar. Nein, nicht in der DDR, sondern am Hofe seines Herzogs Ernst und hieß J. W. v. Goethe.
Goethe stirbt 1832. 1831 beendet er seinen „Faust“ und lässt ihn sterben mit obigen Wunsch auf den Lippen…. 15 Jahre später, 1847, erfolgt in Berlin die Gründung der ersten gemeinnützigen Baugesellschaft. Zweck war „der Bau von gesunden Wohnungen für kleine Leute“. Die Gründer sind konservative Reformpolitiker und Adelige; Hauptinitiator: Viktor Aimé Huber. Kapitalverzinsung höchstens 4%. Ein wirtschaftlicher Erfolg bleibt der Gesellschaft trotz höchster ideeller Protektion versagt. Das Ziel blieb jedoch aktuell, „die arbeitenden Klassen durch Wirtschaftsvereine und innere Ansiedlung“ zur Selbsthilfe zu ermuntern. Die Wohnungsfrage wird ein Kernthema der SPD.
Eine rechtliche Handhabe, um die nötigen Grundstücke zu beschaffen ist bereits im 19. Jahrhundert vorhanden, das Bayerisches Zwangsabtretungsgesetz von 1837 wird im Landtag beraten. Die Ausführungsbestimmungen lassen jedoch auf sich warten. Zentrum (später BVP): falls mehr als 25% einer Grundstücksfläche abzutreten ist: Entschädigung fällig. SPD: erst bei 40%; darunter erfolgt die Abtretung entschädigungslos.
In Pasing erfolgt Die erste Genossenschaftsgründung zum Wohnungsbau von kirchlicher Seite: „Arbeiterheim“ (1910). Ihr folgt die Eisenbahnergenossenschaft an der Gräfstraße. Die Baugenossenschaft Pasing für Kleinwohnungsbau(1910) heute: Gemeinnützige Wohnungsgenossenschaft München-Pasing eG. Sie ist mit 544 Wohnungen größte Pasinger Genossenschaft.
Nach Gründung konnte diese e.G. von „helm sporer“, einem Münchner „developer“, das erste große Grundstück vor den Toren der Stadt München in Pasing erwerben. („Sporer-Block“)
Beide starben durch Mord oder nach Folter der NAZIS im KZ Dachau. Insbesondere Hans Nimmerfall war bayernweit für seinen Kampf für das Genossenschaftswesen anerkannt.
Die gemeinnützige Genossenschaft München-PASING zehrt bis heute von der damaligen Wohnungspolitik Nimmerfalls: Nach Auskunft des Vorstands beträgt der Quadratmeterpreis für eine 2013 modernisierte WE um die 4.- 8.- Euro/ m². Dies ist nur möglich, weil in die Kostenberechnung kein Grundstückspreis eingeht. Käme ein Grundstückspreis dazu, wären wir am Markt mit Mieten zwischen durchschnittlich 8 und 16 Euro / m² Die Hälfte der Kosten einer in München errichteten Neubauwohnung macht 2014 der Grundstückspreis aus.
Die Erfolge der genossenschaftlichen Wohnungsbauvereine sind möglich weil auf linken oder rechten Kulturpessimismus verzichtet wird. Es wird, im Widerspruch zur „Dialektik der Aufklärung“, für „kleine Leute“ gebaut; von eben diesen finanziert sowie öffentlich gefördert.
Die Skulptur aus den 20er Jahren am Fundamentsockel des „Lindenplatzl“ zeigt Stolz und Geborgenheit der Genossen.
In Obermenzing: Baugenossenschaft der (mittleren) Verkehrsbeamten 1909; vor und nach 1933 bis 1945 Mittelpunkt der Nationalsozialisten. Stammlokal der SPD ist seinerzeit der ALTE WIRT. Neugründer von Genossenschaften, Wohnungsunternehmen und Einzeleigentümer haben sich in München auf Initiative der WOGENO in der GIMA (Genossenschaftliche Immobilienagentur) vereint, die einen Bestand von 32.000 Wohnungen repräsentieren. Die Pasinger gemeinnützige Wohnungsgenossenschaft von 1910 ist Mitglied der GIMA. „Die GIMA München eG“ (Genossenschaftliche Immobilienagentur München eG) ist ein Zusammenschluss von aktuell 20 Wohnungsunternehmen in München und vermittelt Mehrfamilienhäuser oder ganze Wohnanlagen an Genossenschaften oder Unternehmen, die ihre Wurzeln in der Gemeinnützigkeit haben.
Unsere Aufgabe ist es, verkaufsinteressierte Eigentümer und Wohnungsgesellschaften, die am Erwerb interessiert sind, zusammenzubringen.“(GIMA muenchen.de , Abruf 2.5.2015)
Bildnachweis:
Goethe; Aquarell Heinrich Meyer 1794 /95; Urheberechtsinhaber unbekannt
Nimmerfall: Spd-Ortsverein Pasing
Skulptur: Peter Knoch